Die Wegbereiterin.
Text: Marion Maurer
Mahnaz Parian-Scherb forscht bei Roche an Anwendungen künstlicher Intelligenz. Gleichzeitig setzt sie sich als Mentorin dafür ein, dass Studierende ihren Weg finden.
Frauen sind in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik (MINT) weiterhin in der Unterzahl. Dies musste auch Mahnaz Parian-Scherb immer wieder erfahren, in Forschungsgruppen war sie oft die einzige Frau. «In so vielen Situationen wird dir bewusst: Ich bin in der Minderheit. So wird jeder Tag zum Kampf – um das Gehörtwerden, um Anerkennung und Respekt, aber auch um die eigene Motivation, trotz den Herausforderungen weiterzumachen.»
Doch sie fand ein Vorbild in der Neurowissenschaftlerin Sarah Tabrizi, die sich der Erforschung der Huntington-Krankheit verschrieben hat: «Sie hat – wie ich – iranische Wurzeln, ist zielstrebig und erfolgreich. Ich konnte mich in ihr wiedererkennen und das hat mich motiviert.» Ein Vorbild zu haben sei für alle wichtig, für Frauen in MINT-Fächern ganz besonders.
Darum gründete Mahnaz Parian-Scherb an der Universität Basel das Unterstützungsnetzwerk «We are Computer Science». Dieses hat zum Ziel, Frauen und Studierende aus unterrepräsentierten Gruppen zu ermutigen, ein Studium im Fachbereich Mathematik und Informatik zu absolvieren.
Die Familie als Rückhalt.
Mahnaz Parian-Scherb entdeckte ihre Begeisterung für Mathematik schon früh. Ihre älteren Brüder übten zu Hause mit ihr, sodass sie in der Schule stets voraus war. «Das gab mir das Gefühl, dass ich gut darin bin. Vielleicht war ich es auch nicht, aber es hat mich motiviert», erzählt sie mit einem Grinsen.
Aufgewachsen ist Parian-Scherb im Iran, in einer Gesellschaft, in der Frauen weniger Möglichkeiten haben als Männer. Aber sie hatte das Glück, dass ihre Familie sie immer unterstützte und stärkte. Allen voran ihre Mutter habe immer wieder betont, dass Mädchen aufgrund ihres Geschlechts nicht weniger wert seien. Und von ihrer Mutter habe sie auch den «rebellischen Geist» geerbt: «Wenn ich in etwas gut bin, dann möchte ich das machen, egal, was die Gesellschaft sagt.»
Sie entschied sich für ein Studium der Elektrotechnik in Teheran. Den anschliessenden Master absolvierte sie im Bereich Telekommunikation mit Fokus auf Signal- und Bildverarbeitung. Doch während im Iran verhältnismässig viele Frauen MINT-Fächer studieren, bleibt der Berufseinstieg schwierig. «Die Gesellschaft akzeptiert Frauen in technischen Berufen nicht. Das Arbeitsumfeld ist für sie oft nicht sicher und es gibt grosse Ungleichheiten.»
Der Doktorvater als Mentor.
Für Mahnaz Parian-Scherb stellte sich deshalb die Frage, wo sie sich weiterentwickeln könne. Sie entschied sich für eine Promotion im Ausland. Frankreich kam erst wegen der Sprache nicht infrage und in die Schweiz wollte sie nicht, da ihre Brüder dort studierten: «Vielleicht wollte ich einfach möglichst unabhängig sein.»
Im damals aufkommenden Feld der künstlichen Intelligenz fand sie schliesslich eine spannende Promotionsstelle – welche die ersten zwei Jahre an der französischsprachigen Université de Mons in Belgien und danach an der Universität Basel angesiedelt war. «Ich musste mich der Sprache also doch noch stellen», sagt sie und lacht.
In Basel war Mahnaz Parian-Scherb Teil der Gruppe Databases and Information Systems (DBIS) von Heiko Schuldt. In ihm fand sie den für sie idealen Betreuer: «Natürlich läuft während der Promotion nicht immer alles rund. Auch ich war einige Male kurz davor, aufzugeben. Aber Professor Schuldt hat mich immer wieder motiviert und mir geholfen, meinen Weg wieder zu finden. Er ist für mich der Inbegriff des Doktorvaters.»
Nach ihrer Promotion erhielt Parian-Scherb eine Postdoc-Stelle beim Pharmaunternehmen Roche. Bis heute forscht sie dort an der Anwendung künstlicher Intelligenz, momentan in der Augenheilkunde. Datenanalysen und maschinelles Lernen sollen dabei helfen, Krankheitsverläufe vorherzusagen und Therapiechancen zu evaluieren. Mittlerweile ist die Basler Alumna leitende Wissenschaftlerin.
In ihrem Team legt sie viel Wert darauf, alle nach ihrer Einschätzung zu fragen: «Wir Frauen lernen, dass wir ruhig und zurückhaltend zu sein haben. Wir hören eher zu, als dass wir selbst sprechen.» Doch es gebe auch viele zurückhaltende Männer. Zu schauen, dass jede und jeder Gehör findet, helfe somit allen.
Ihre persönlichen Erfahrungen gibt sie auch gerne an den akademischen Nachwuchs weiter und betreut Studierende beim Berufseinstieg. Das sei ein wichtiger Ansatz, um Studierenden Unterstützung und Orientierung zu geben. Nicht nur, aber vor allem auch Frauen im Bereich Informatik.
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