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Rund um den Mund. (01/2025)

Die Feinheit der Paragrafen.

Interview: Marion Maurer

Karin Scherrer Reber studierte Rechtswissenschaft an der ±«²Ô¾±±¹±ð°ù²õ¾±³Ùä³Ù Basel, 2022 wurde sie zur Bundesrichterin gewählt. Ein Werdegang, der nicht unbedingt so geplant war.

Karin Scherrer Reber
Juristin statt Autorin: Karin Scherrer Rebers Berufsweg verlief anders, als geplant. Er führte sie bis ans Bundesgericht. (Foto: ±«²Ô¾±±¹±ð°ù²õ¾±³Ùä³Ù Basel, Christian Flierl)

AlumniBasel: Frau Scherrer, war Bundesrichterin schon immer Ihr Berufsziel?

Karin Scherrer: Nein, überhaupt nicht. Mein Weg dahin war nicht so geplant, vieles hat sich einfach auch ergeben. Ursprünglich wollte ich Journalistin oder Schriftstellerin werden; etwas mit Sprache und Kreativität, das war mir wichtig.

Und dann haben Sie sich für die Rechtswissenschaft entschieden?

(Lacht.) Das eine schliesst das andere nicht aus. Die Sprache ist das Hauptinstrument der Rechtswissenschaft. Natürlich kann man nicht so kreativ sein wie beim journalistischen Schreiben, unsere Grundlage ist das Recht und wir wenden es an. Aber es geht oft, gerade bei höchstrichterlichen Urteilen, um die Feinheiten der Sprache. Die Rechtswissenschaft ist viel mehr als nur das Auswendiglernen von Paragrafen. Während des Studiums empfand ich die Materie als sehr interessant, aber zugegeben auch manchmal etwas trocken.

War die Rechtswissenschaft doch nicht die richtige Wahl?

Doch! Ich würde dieses Studium immer wieder wählen, das kann ich mit voller Überzeugung sagen. Die Rechtswissenschaft ist am Puls der Zeit. Die Gesetzgebung spiegelt wider, was in der Gesellschaft passiert, was sie beschäftigt. Wir müssen Regeln haben, damit unsere Gesellschaft funktioniert. Dieses Zusammenspiel finde ich sehr faszinierend. Und das Jus-Studium bietet so viele Möglichkeiten; man kann nicht nur als Anwältin oder Richter arbeiten, sondern auch in der Verwaltung, der Wirtschaft oder der Politik.

Wie sah Ihr Berufsweg aus?

Ich habe nach dem Studium ein Praktikum auf dem Richteramt und der Amtschreiberei in Dornach gemacht und wusste am ersten Tag, das ist das Richtige! Danach habe ich unter anderem am Bau- und Justizdepartement Solothurn im Rechtsdienst und in Lausanne am Bundesgericht als Gerichtsschreiberin gearbeitet. Beides war sehr spannend und ich konnte viele verschiedene Aspekte der juristischen Tätigkeit kennenlernen. Gerade in der kantonalen Verwaltung ist man oft auch ausserhalb des Büros unterwegs, hat direkt mit den Menschen zu tun und kann dabei vielleicht eher einen Konflikt lösen, bevor der Streit vor Gericht ausgetragen wird. Diese Erfahrungen waren sehr wichtig für mich.

2012 wurden Sie ordentliche Richterin am Obergericht Kanton Solothurn – und haben bei der Wahl Ihre Schwangerschaft verschwiegen.

Ich habe an dem Tag, als ich von der freien Stelle erfuhr, gemerkt, dass ich mit dem zweiten Kind schwanger bin. Bei der Anhörung vor dem Kantonsparlament habe ich das nicht erwähnt – was mir von gewissen Leuten zum Vorwurf gemacht wurde. Ich hatte während der ganzen Schwangerschaft das Gefühl, mich für meinen wachsenden Bauch entschuldigen zu müssen. Es ist mir wichtig zu betonen: Das sollte nicht so sein. Ich verstehe natürlich, dass es für Arbeitgebende nicht angenehm ist, wenn jemand wenige Monate nach dem Stellenantritt für einige Monate ausfällt. Aber eine Schwangerschaft kann man nicht planen, sie ist ein Wunder, über das man sich freuen darf. Abgesehen davon wird kein Mann nach der Familienplanung gefragt. Nach wie vor trägt vor allem die Frau die zum Teil enorme Doppelbelastung von Kind und Arbeit. Hinzu kommen der gesellschaftliche Druck und das Gefühl, sich erst recht beweisen zu müssen. Dennoch möchte ich gerade junge Frauen ermutigen, etwas zu wagen und sich nicht von Anfang an entweder für Familie oder Beruf zu entscheiden.

Sie selbst erleben diese Doppelbelastung. Hat Sie das in Ihrer Entscheidung beeinflusst, sich als Bundesrichterin zur Wahl zu stellen?

Erst kam dieser Schritt für mich mit zwei schulpflichtigen Kindern nicht infrage. Aber ich wusste, dass es mich ärgern würde, wenn ich es nicht wenigstens versuche. Nun bin ich im dritten Jahr als Bundesrichterin und freue mich, wieder verstärkt wissenschaftlich arbeiten zu können: Auf Bundesgerichtsebene fällt die Sachverhaltsabklärung weg, somit bleibt mehr Zeit, sich mit den wissenschaftlichen Arbeiten zur Rechtauslegung auseinanderzusetzen. Als höchste Instanz tragen wir die Verantwortung für die Rechtsprechung; nicht zuletzt auch, weil das Besprechen von Bundesgerichtsentscheiden ein wichtiger Bestandteil des Jus-Studiums ist und den juristischen Nachwuchs prägt.

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