00:00:00:00 - 00:00:24:20 Jana Tschannen Ich würde sagen, dass nicht unbedingt der Genderstern Alltag ist, aber dass man sich mit der Frage auseinandersetzen muss, das ist schon Alltag. Auch wenn das für manchen vielleicht nicht besonders beliebt ist, dass sie sich damit auseinandersetzen müssen. Im Sprachsystem angelegt ist es so, dass wir eine männliche und eine weibliche Form haben und die männliche Form auch als generische Form genutzt werden kann. Das Problem ist einfach, dass sie nicht als generische Form verstanden wird, sondern als männliche Form, weil sie eben identisch ist mit der männlichen. Dieser Begriff drittes Geschlecht ist jetzt schon sehr irreführend, weil es impliziert, dass es neben Mann und Frau noch ein Drittes gibt, aber es ist ein Spektrum. Und innerhalb von diesem Spektrum wären verschiedene Pronomen denkbar. 00:00:51:20 - 00:01:16:18 Catherine Weyer Hallo und herzlich Willkommen bei Unisonar, dem Wissenspodcast der Universität Basel. In dieser Staffel schauen wir uns mit Expert*innen Forschungsbereiche an, die sich mit dem Thema Gender befassen. Was denkt ihr, wenn ihr diese kurze Pause bei Expert*innen hört? Fällt es euch auf? Nervt sie? Oder benutzt die die Genderpause schon lange in täglichen Gesprächen? Gendern ist ein Thema, das die Gemüter auf beiden Seiten in Wallung bringt. 00:01:16:20 - 00:01:42:02 Catherine Weyer Die Befürworter*nnen finden es nur richtig, wenn alle Geschlechter mitgesprochen werden. Die Gegner hingegen fürchten um die Verhunzung der deutschen Sprache. Was das Gendern mit unserer Sprache macht, welchen Einfluss die Sprache auf unser Verständnis von Geschlecht hat und wie sich unsere Sprache in der Vergangenheit bereits verändert hat, darüber spreche ich heute mit Jana Tschannen. Sie ist Sprachwissenschaftlerin und forscht unter anderem zum Thema geschlechtergerechte Sprache. 00:01:42:04 - 00:01:42:22 Catherine Weyer Herzlich willkommen! 00:01:43:01 - 00:01:44:10 Jana Tschannen Hallo. 00:01:44:12 - 00:01:54:11 Catherine Weyer Mein Name ist Catherine Weyer. Bei Unisonar tauchen wir mit Expert*innen der Universität Basel auf den Grund ihrer wissenschaftlichen Forschung. Jana Tschannen, gendern Sie? 00:01:54:13 - 00:02:03:11 Jana Tschannen Ja, ich Gender tatsächlich sowohl privat als auch beruflich regelmässig. Und ich würde sagen komplett. Also durchgehend ohne Ausnahme. 00:02:03:13 - 00:02:06:11 Catherine Weyer Und haben Sie da auch schon ein schlechtes Feedback bekommen? 00:02:06:13 - 00:02:16:15 Jana Tschannen Ähm, nein. Jedenfalls nicht persönlich. Vielleicht so, dass ich es nicht mitkriege, Aber in meinem Umfeld hat das noch niemand beanstandet. Im Gegenteil würde ich sagen. 00:02:16:17 - 00:02:21:20 Catherine Weyer Finden Sie, der Genderstern passt gut in unsere Sprache oder ist da eine Hürde? 00:02:21:22 - 00:02:51:18 Jana Tschannen Also als Sprachwissenschaftlerin kann ich dazu gar keine klare Antwort geben. Der Genderstern ist einfach da. Er wird genutzt, genauso wie andere Sonderzeichen wie der Unterstrich, der Doppelpunkt oder der Schrägstrich. Da gibt es ja viele Möglichkeiten und keine davon stört oder stört nicht aus sprachwissenschaftlicher Sicht. Ich weiss aber und das ist so eine Perspektive, die man einnehmen kann in der Sprachwissenschaft, dass es natürlich viele, also viel Metakommunikation zu geschlechtergerechter Sprache gibt. 00:02:51:18 - 00:03:12:15 Jana Tschannen Und es gibt schon viele Leute, die sich daran stören, also die wir als störend finden, weil es den Lesefluss natürlich aufhält oder weil es ein Sonderzeichen ist und nach orthografischen Regeln angeblich dort gar nichts zu suchen hätte. Darüber lässt sich streiten, das kann man auch diskutieren, aber das kann man als sprachwissenschaftlicher Sicht so also nicht sagen, das der stört. 00:03:12:19 - 00:03:17:17 Jana Tschannen Also Stören ist ein Empfinden, das wir eigentlich nicht bewerten. 00:03:17:19 - 00:03:24:12 Catherine Weyer Sie sind Sprachwissenschaftlerin. Muss ich mir da vorstellen, dass Sie so was wie eine Hüterin der deutschen Sprache sind? 00:03:24:14 - 00:03:51:11 Jana Tschannen Nein, genau das sind wir nicht. Also als Sprachwissenschaftler und Sprachwissenschaftlerin würde ich sagen, beobachten wir in erster Linie Sprache. Und alles, was dazugehört, steht eigentlich eher im Zentrum. Zu schauen, Wie wird Sprache verwendet, wie funktioniert Sprache, was ändert sich zum Beispiel an Sprache? Aber ohne das Ganze zu bewerten? Also gerade das würden wir niemals tun zu sagen Nein, also das ist ganz, ganz schlecht. 00:03:51:11 - 00:04:14:04 Jana Tschannen Das könnten wir natürlich privat so finden. Aber wenn wir Veränderung in der Sprache sehen oder sehen, wie Sprache in einem konkreten Kontext verwendet wird, würden wir das erst mal hinnehmen. Das würden wir beschreiben, das würden wir analysieren und das würden wir einordnen, zum Beispiel historisch oder auch gesellschaftlich. Aber wir würden nicht sagen: Und das ist schlecht und das ist gut oder so. 00:04:14:09 - 00:04:50:14 Jana Tschannen Also man kann es natürlich nicht immer klar trennen von Ideologien, von Menschenrechten. Gerade jetzt in Bezug auf Gendern ist es ein häufiger Vorwurf, dass es eine Ideologie wäre, wenn man den Genderstern benutzt, weil die gängige Meinung immer noch herrscht, dass es nur zwei Geschlechter gibt und alle, die etwas anderes annehmen, hier einer Ideologie verfallen sind. Dagegen kann man sich natürlich positionieren, auch als Sprachwissenschaftler*in und anerkennen, dass es einfach egal ob es jetzt biologisch bewiesen oder wie auch immer das biologisch aussieht. 00:04:50:14 - 00:05:27:06 Jana Tschannen Das können wir als Sprachwissenschaftler eh nicht bewerten. Dass wir aber Menschen haben, die von sich die eigene Geschlechtsidentität irgendwie äussern und das können wir auch einfach hinnehmen, egal, ob wir das gut oder schlecht finden. Das ist auch eine Beobachtung, die wir machen können. Und entsprechend können wir damit umgehen, das deschreiben, einordnen, kontextualisieren, wie auch immer, ohne dass wir da irgendwie die Sprache hüten müssten oder irgendwie so, als als Sprachhüter*innen auftreten und die Sprache irgendwie so belassen wollen würden, wie sie jetzt gerade ist. 00:05:27:07 - 00:05:33:02 Catherine Weyer Also im Gegenteil eine Veränderung in der Sprache macht für Sie wahrscheinlich die Arbeit interessanter. 00:05:33:04 - 00:05:49:05 Jana Tschannen Ja, das stimmt. Also alles andere wäre ja alles schon erforscht. Das müssten wir ja dann gar nicht mehr neu uns anschauen. Das wäre ja, genau, das wäre immer noch das Gleiche. Deswegen eigentlich gut, dass sich Sprache wandelt, obwohl das natürlich auch wieder eine persönliche Meinung ist. Aber ja. 00:05:49:07 - 00:05:51:16 Catherine Weyer Und welcher Nutzen hat der Genderstern? 00:05:51:18 - 00:06:22:17 Jana Tschannen Also der Stern, der symbolisiert durch die Strahlen verschiedene Geschlechter oder kann das tun. Im Gegensatz zum Unterstrich, der einfach eine Lücke bildet oder ein Schrägstrich, der irgendwie diese zwei Teile voneinander abgrenzen? Kann der Stern eine Art Gruppenzugehörigkeit ausdrücken oder zeigen? Ja, es ist hier nicht binär gedacht. Also zum Beispiel bei Expertinnen sind nicht nur Experten und Expertinnen, sondern alles, was auf diesem Geschlechterspektrum irgendwie noch zu finden ist, zwischen männlich und weiblich oder Mann und Frau. 00:06:22:19 - 00:06:25:15 Jana Tschannen Das kann dieser Genderstern abbilden. 00:06:25:17 - 00:06:31:12 Catherine Weyer Ist das die einzige Möglichkeit, wie man Geschlecht und verschiedene Geschlechter in der Sprache darstellen kann? 00:06:31:14 - 00:07:18:00 Jana Tschannen Ähm, nein. Also es gibt natürlich ganz viele verschiedene Ebenen der Sprache und die Sprache vor allem, also jetzt das deutsche Mal als Grundlage genommen ist relativ binär, das heisst, wir haben beispielsweise Nomen oder so, da haben wir Bezeichnung für Männer und für Frauen. Uns fehlt häufig ein Wort, wenn wir alle Geschlechter meinen oder speziell nicht-binäre Geschlechter. Aber meistens haben wir zwei verschiedene Paare Lehrer, Lehrerin, Experte, Expertin, Professor, Professorin usw und in der Sprache, also abgesehen von Nomen, wir hätten zum Beispiel auch noch die Pronomen er und sie und referieren damit auf Männer und Frauen und auch hier bei den nicht binären Geschlechtern können wir, wenn wir bei dem deutschen System bleiben, auf das «es» 00:07:18:02 - 00:07:38:15 Jana Tschannen zurückgreifen. Was allerdings eher so also es ist, wird häufig nicht verwendet oder nicht von allen gerne verwendet, weil es eher sächlich konnotiert ist, also sich auf irgendwie Dinge oder Gegenstände bezieht und nicht-binäre Menschen. Na ja, immerhin auch noch menschlich angesprochen werden möchten und abgebildet werden wollen. Auch durch die Sprache. 00:07:38:17 - 00:08:02:03 Catherine Weyer Ja, die deutsche Sprache hat ja so ihre Tücken. Als ich Ihnen die erste Mail geschrieben habe und dann «Liebe Frau Tschannen» und dann schon das erste Mal okay, mit der Frau unterstelle ich jetzt, dass sie weiblich gelesen werden möchten und auch, dass Liebe ist. So, also es ist total schwierig, oder Es kann total schwierig sein, wenn man eine Person jetzt im ersten Kontakt schon nicht als Mann oder Frau beschreiben möchte. 00:08:02:05 - 00:08:31:22 Jana Tschannen Genau. Also diese Anredeform, das ist natürlich auch noch eine grosse Geschlechterzuweisung durch eine andere Person. Also wir haben hier den Unterschied. Man kann sich selbst als «Ich bin Frau Tschannen» zum Beispiel bezeichnen, «ich bin Sprachwissenschaftlerin». Aber natürlich kann man auch von anderen so bezeichnet werden oder wird von anderen so bezeichnet und das ist immer okay. Sofern das übereinstimmt mit dem eigenen Geschlecht, ist es nur dann komisch oder irreführend, wenn es nicht übereinstimmt? 00:08:31:22 - 00:08:49:14 Jana Tschannen Und na ja, viele Leute haben das Gefühl, dass man das ja am Namen schon ablesen könnte. Also der Vorname gibt ja meistens schon Hinweise. Also das so einer das nennen wir Indexing Gender. Also es gibt Hinweise auf das Geschlecht, das passiert durch den Namen, das passiert durch das Aussehen, von dem wir glauben, dass wir dadurch das Geschlecht ablesen können. 00:08:49:14 - 00:09:07:09 Jana Tschannen Also lange Haare, geschminkt oder Bartwuchs und und kurze Haare, tiefe Stimme. Das sind alles so Hinweise, die wir aufnehmen und denken Ah ja, das ist dann ein Mann, das ist dann eine Frau. Also passt diese Anredeform und weisen damit quasi das Geschlecht zu. Wenn wir sagen Hallo Herr Müller, hallo Frau Tschannen. 00:09:07:11 - 00:09:10:02 Catherine Weyer Genau ist das ein Problem? 00:09:10:04 - 00:09:30:00 Jana Tschannen Das ist, glaube ich, für viele Leute kein Problem. Und ich denke, dass die meisten Leute auch gar nicht drüber nachdenken. Das ist normal. Damit wachsen wir auf, damit finden wir uns irgendwann ab. Das ist eine Rolle, die wir lernen, dass wir dann irgendwann Frau Tschannen sind, zum Beispiel. Ist es natürlich aber dann ein Problem, wenn die Anrede nicht mit dem eigenen Geschlecht übereinstimmt. 00:09:30:00 - 00:09:54:15 Jana Tschannen Also wenn man entweder nicht Frau genannt werden will, sondern Herr, aber vielleicht nicht so aussieht oder nicht von anderen so gelesen wird. Oder wenn man weder Frau noch Herr benutzen möchte und eine andere Anredeform wünscht oder zum Beispiel einfach nur Vor- und Nachname ohne lieber Liebe, dann dann wird es glaube ich schwierig. Viele Leute machen das, indem sie in ihrer Email Signatur zum Beispiel hinweisen. 00:09:54:15 - 00:10:07:06 Jana Tschannen Ich möchte gerne so angesprochen werden. Das ist aber noch relativ selten, glaube ich, weil das auch immer so eine Art Outing ist. Also man hat dann, man zeigt dann Hallo, ich bin anders und das das möchten viele verständlicherweise nicht. 00:10:07:08 - 00:10:20:09 Catherine Weyer Und das ist dann ja auch meistens, wenn schon ein erster Kontakt stattgefunden hat. Also ich weiss beim ersten Mal noch nicht, wie ich sie ansprechen soll und dann kann ja schon eine erste, im schlimmsten Fall Verletzung geschehen. 00:10:20:11 - 00:10:40:21 Jana Tschannen Genau das stimmt. Und es ist ja auch so, dass wir, wenn Sie mir schreiben und Sie denken, okay, Jana ist ein weiblicher Vorname, auf Ihrer Website steht Jana Tschannen, Sprachwissenschaftlerin. Dann wäre es ja vielleicht auch komisch für mich. Also das müssten Sie mindestens annehmen, wenn Sie nicht sicher sind, ob ich tatsächlich eine Frau bin und liebe Frau Tschannen genannt werden möchte. 00:10:40:21 - 00:11:03:08 Jana Tschannen Und diese Irritation möchten wir ja eigentlich auch umgehen. Das ist ja auch eine Art von Höflichkeit, in der in der Gesellschaft jemanden korrekt anzureden und die Annahme herrscht, dass wir immer wissen, wie wir jemanden korrekt anreden. Also ich glaube, hier ist einfach das Bewusstsein in der Gesellschaft noch gar nicht so weit, dass wir einfach unverblümt beim Erstkontakt fragen können Wie darf ich Sie ansprechen? 00:11:03:10 - 00:11:24:13 Jana Tschannen Weil die meisten Leute denken Moment, das müsste doch klar sein. Ich heisse ja Jana Tschannen. Natürlich ist es ein weiblicher Vorname. Sprich mich doch bitte mit Frau an, was soll die Frage? Aber das ist eben für manche Menschen nicht so eindeutig. Aber da müsste glaube ich mehr Bewusstsein sein, um nicht genau diese Leute, die irgendwie anders aussehen, anzusprechen. 00:11:24:13 - 00:11:32:19 Jana Tschannen Und hey, wie darf ich dich ansprechen oder wie darf ich Sie ansprechen, obwohl sie vielleicht auch eindeutig einem Geschlecht angehören? 00:11:32:21 - 00:11:46:09 Catherine Weyer Ist das auch ein Thema für eine Ritualisierung? Also so wie es mittlerweile normal ist? Man reicht sich die Hand und man stellt sich vor, dass sich da irgendwie etwas institutionalisieren könnte. Wie man diese Frage beantwortet. 00:11:46:11 - 00:12:20:15 Jana Tschannen Das könnte ich mir vorstellen, vor allem gerade so im universitären Raum, in vielen Seminaren gibt es am Anfang eine kleine Vorstellungsrunde, Da sagt man seinen Namen und in manchen Kursen weiss ich, dass man auch die eigenen Pronomen sagt, falls sie irgendwie abweichend sind oder auch nicht. Also auch wenn sie oder eher sind. Aber auch hier denke ich, ist das Problem, dass wir immer eine Outing Situation schaffen, weil manche vielleicht gar nicht wollen, dass also das man bestimmte Pronomen für sie benutzt, die irgendwie abseits von sie oder er ist. 00:12:20:15 - 00:12:37:15 Jana Tschannen Jedenfalls nicht in diesem Kontext, sondern das eher so im privaten Nutzen und vielleicht nicht in der Uni. Also ich würde sagen, eine rituelle Handlung würde vielleicht eher das Gegenteil bewirken, eher vielleicht Unsicherheit und eben erzwungene Outings schaffen, aber vielleicht auch nicht. 00:12:37:17 - 00:12:51:16 Catherine Weyer Welche Rolle spielen eigentlich Stereotyp pe? Also zum Beispiel, wenn ein Kind blau angezogen ist. Auf dem Spielplatz ist es sicher ein Junge. Führt das auch zu Irritationen oder ist das eher noch eine Hilfestellung, dass man in die richtige Richtung interpretiert wird? 00:12:51:18 - 00:13:12:01 Jana Tschannen Ähm, ja, ich glaube, bei Kindern ist das noch mal ganz schwierig, weil Kinder haben bis zu einem bestimmten Alter gar keine eigene Geschlechtsidentität. Das ist ja einfach Nachahmung von denen, was ihnen beigebracht wird oder gesagt wird. Ihnen wird gesagt Du bist ein Mädchen und wenn über sie geredet wird, dann wird sie oder eher gesagt Und der Name ist ja meistens auch schon irgendwie weiblich oder männlich konnotiert. 00:13:12:01 - 00:13:35:01 Jana Tschannen Und viele Kinder sehen optisch vom Gesicht und vom Körperbau nicht aus wie Männer oder Frauen. Logischerweise sind Kinderkörper, die sehen gleich aus. Und hier ist natürlich viel durch Kleidung und auch Schmuck oder oder Spangen oder lange Haare. Und so wird von den Eltern an die Kinder gebracht, sozusagen um eindeutig zu zeigen Hey, mein Kind ist ein Mädchen, mein Kind ist ein Junge. 00:13:35:03 - 00:14:00:07 Jana Tschannen Es scheint auch vielen Eltern wichtig zu sein und auch wenn viele Eltern von sich behaupten, sie würden keinen Unterschied machen zwischen Mädchen und Jungen, zwischen Töchtern und Söhnen, zeigen Forschungen eben doch, dass es immer wieder auch Unterschiede gibt in der Art, wie sie mit den Kindern sprechen, in der Art, was sie von den Kindern erwarten, also durch, durch Interaktionen und ja, und durch, durch Zuschreibung, durch Bezeichnung. 00:14:00:07 - 00:14:17:13 Jana Tschannen Hey mein Sohn! Das fängt schon im Bauch an, der strampelt aber wild, wenn es ein Junge ist und die zickt aber rum, wenn es ein Mädchen ist. Also jetzt mal so ganz stereotyp. Also bevor das Kind überhaupt auf der Welt ist, fängt es mit den Zuschreibungen, diesen stereotypen Zuschreibungen schon an, Ja. 00:14:17:14 - 00:14:40:21 Catherine Weyer Es gibt auch diese spannende Forschung, wo Erwachsene in einen Raum kommen mit einem Kind. Und wenn man sagt, das ist ein Mädchen, dann bringen sie dem Kind Puppen zum Spielen. Und wenn man sagt, es ist ein Junge, dann bringt man Autos. Und die Erwachsenen sagen dann auch Ja, das ist total begeistert davon. Ist halt ein Junge. Und am Ende stellt sich raus, es war eigentlich ein Mädchen, Man hat einfach als Junge verkauft. 00:14:41:01 - 00:15:06:00 Jana Tschannen Genau. Ja, das hat man, das hat man tatsächlich beobachtet. Und in den Fällen, wo die die Erwachsenen nicht wussten, ob es ein Mädchen oder ein Junge war, haben sie zu sogenannten neutralem Spielzeug gegriffen. Ich glaube, das war ein Ball in diesen, in diesen Studien, wo sie dachten na gut, die Puppe und und das Auto, das ist jetzt vielleicht zu klischeehaft, weil sie ja nicht wissen, was für ein Geschlecht es ist, also greifen sie nach einem eher neutralen Spielzeug. 00:15:06:02 - 00:15:08:00 Jana Tschannen Und ja, das ist ja auch ziemlich bezeichnend. 00:15:08:00 - 00:15:32:17 Catherine Weyer Eigentlich, wenn wir jetzt weggehen von diesen Eigen und Fremdkonstruktionen und hin zu der Sprache. Der Genderstern oder auch der Gender Doppelpunkt oder das Binnen-I, die haben ja eigentlich zur Idee, dass man beide oder alle Geschlechter abbildet. Was ist denn genau das Problem vom generischen Maskulinum, das ja in den vergangenen Jahrzehnten gebräuchlich war, das ja auch heute noch ist? 00:15:32:19 - 00:15:37:23 Catherine Weyer Zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker. Was ist so schlecht daran? 00:15:38:01 - 00:16:00:19 Jana Tschannen Im Prinzip ist nichts schlecht daran, denn in der deutschen Sprache ist es tatsächlich so, also im Sprachsystem angelegt. Ist es so, dass wir eine männliche und eine weibliche Form haben und die männliche Form auch als generische Form genutzt werden kann? Das Problem ist einfach, dass sie nicht als generische Form verstanden wird, sondern als männliche Form, weil sie eben identisch ist mit der männlichen. 00:16:00:21 - 00:16:41:18 Jana Tschannen Und weil wir wissen als Muttersprachler*innen, dass die männliche Form neben der weiblichen existiert. Wenn wir also von Apothekern sprechen, dann wissen wir, es gibt ja auch das Wort Apothekerinnen und deswegen entsteht diese, diese männliche Konnotation und das ist auch in diversen Studien mittlerweile nachgeprüft, das vor allem im Singular, also der Apotheker oder ein Apotheker, aber eben auch im Plural, also so wie Apotheker sind oder verdienen XY, also Allgemeinaussagen eigentlich immer männlich oder grösstenteils männlich interpretiert werden und dadurch Frauen Und von anderen Geschlechtern brauchen wir hier gar nicht sprechen, aber eben auch Frauen unsichtbar gemacht werden dadurch. 00:16:41:20 - 00:17:07:11 Jana Tschannen Und das verstärkt sich, je nachdem, was es für Personenbezeichnungen sind. Es ist also schwächer, wenn wir so was wie Bürger benutzen, weil wir irgendwie wissen okay, das gibt natürlich auch Frauen, die Bürger sind also Bürgerinnen, aber hin zu Berufen, die sehr als männlich gelten Elektriker, Informatiker. Da verschwinden Frauen aus dieser Vorstellung dann komplett. Also das konnte man in Studien tatsächlich nachweisen. 00:17:07:13 - 00:17:14:02 Catherine Weyer Und das bedeutet dann auch, dass Mädchen sich nicht vorstellen können, irgendwann mal Informatikerin zu werden. 00:17:14:07 - 00:17:38:16 Jana Tschannen Genau das fängt im Kindesalter an Wir haben Bilderbücher, da sehen wir Professor, das ist immer ein weisser Mann im weissen Kittel, meistens auch noch. Oder Lehrerinnen. Die ist dann häufiger schon mal weiblich. Es gibt auch hier Studien, die zeigen, dass Mädchen sich nicht vorstellen können, dass sie später mal Astronautin werden können. Oder Ärztin, weil das nicht abgebildet ist in. 00:17:38:18 - 00:17:54:22 Jana Tschannen Also weder in der Sprache, mit denen sie konfrontiert werden, im Alltag als auch in Büchern, in Filmen. Also all das, was so kinderbezogen ist, ist sehr stereotyp und wird, ja wird dort nicht so abgebildet, dass die Kinder merken das kann ich auch sein. 00:17:55:00 - 00:18:03:11 Catherine Weyer Das ist ja kein neues Phänomen, das gibt es schon seit Jahrzehnten. Wieso tun wir uns so schwer damit, uns von diesem generischen Maskulinum zu lösen? 00:18:03:13 - 00:18:25:12 Jana Tschannen Das hängt damit zusammen, dass das generische Maskulinum die kürzeste Form ist und hier dieses Argument der Sprachökonomie mit reinspielt. Da also gerade in der Werbung oder im Marketing allgemein, wo es so ein bisschen kurz und knackig sein muss, wo man nicht viele Zeichen zur Verfügung hat, wo man eine Botschaft rüberbringen muss: Bei uns ist der Kunde König. 00:18:25:14 - 00:18:43:20 Jana Tschannen Das wäre natürlich sehr umständlich zu sagen. Bei uns ist sowohl der Kunde als auch die Kundin König. Das ist nicht mehr so schmissig. Also das ist ein häufiges Argument gegen alle Sonderformen oder bei Nennung oder wie auch immer, weil wir haben ja eine Form und die umfasst ja schon alle Geschlechter. Das ist ja auch ein sehr beliebtes Argument. 00:18:43:20 - 00:19:06:02 Jana Tschannen Das generische Maskulinum umschliesst nicht nur die weibliche Form, sondern gleich alle Geschlechter und ist damit auch noch kurz und und hat kein Sonderzeichen. Das ist eigentlich die perfekte Form. Das Problem ist eben, es wird nie so verstanden. Aber das ist, glaube ich ein Grund, warum es immer noch so beliebt ist und weil es schon immer so war, gibt es halt viele Leute, die das auch gar nicht ändern wollen. 00:19:06:04 - 00:19:32:03 Jana Tschannen Und hinzu kommen natürlich dann noch Argumente wie: Was sollen wir überhaupt alle Geschlechter abbilden? Die sind ja mitgemeint bis hin zu beleidigenden Sachen, die ich gar nicht aussprechen möchte. Aber auch die Sprachpuristen, ich sage das jetzt extra maskulin, die finden ja, also man muss die deutsche Sprache ja rein halten und beibehalten, so wie sie schon immer war, so wie einst Goethe und Schiller usw sie verwendet haben. 00:19:32:03 - 00:19:40:21 Jana Tschannen Sie wird verkommen, sie wird zerstört von Ideologien und Ideologien sind ja meistens dann die Gendersterne und so was gemeint. Genau. 00:19:40:23 - 00:19:48:01 Catherine Weyer Wir haben ja noch keinen deutschen Begriff für ein drittes Geschlecht. Brauchen wir ein drittes Pronomen, das deutsch ist. 00:19:48:03 - 00:20:30:06 Jana Tschannen Das weiss ich nicht. Das kommt drauf an, ob der Bedarf da ist. Also das müssen dann wirklich die Leute, die eins bräuchten, bestimmen. Nicht eine Sprachwissenschaftlerin, die das nicht persönlich braucht. Aber ich denke, dass der Bedarf schon da ist. Also wenn man sich ein bisschen mit dem Thema beschäftigt und auseinandersetzen und auch mit nicht binären Menschen spricht oder oder die Kommunikation zwischen nicht binären Menschen untersucht, dann wird relativ schnell deutlich, dass wir vielleicht sogar mehrere Pronomen bräuchten, unabhängig von er oder sie, weil es ja nicht nur eine nicht-binäre Geschlechtsidentität gibt und auch nicht nur ein Pronomen, was irgendwie ein bestimmtes drittes Geschlecht. 00:20:30:11 - 00:20:57:18 Jana Tschannen Also dieser Begriff drittes Geschlecht ist jetzt schon sehr irreführend, weil es impliziert, dass es neben Mann und Frau noch ein drittes gibt, aber es ist ein Spektrum, und innerhalb von diesem Spektrum wären verschiedene Pronomen denkbar. Und es gibt auch zum Beispiel Leute, die aus dem Schwedischen dieses «hen» – ich weiss nicht, ob ich es richtig ausspreche benutzen, glaube ich, was im Schwedischen ein geschlechtsneutrales Pronomen ist, aber für Menschen nicht so wie das «es» im Ðǿմ«Ã½en, eher für Sachen steht. 00:20:57:18 - 00:21:19:00 Jana Tschannen Also von daher würde ich sagen ja, es bräuchte bestimmt mehr Pronomen, aber nicht nur eins. Und auch hier, ich denke, es bräuchte eher auch ein Bewusstsein dafür, dass wir die Sprache vielleicht ausbauen müssen nach dem Bedarf, den es halt gibt. Also den Bedarf bestimmen die Menschen, die das die etwas brauchen und die Sprache müsste sich dann entsprechend anpassen. 00:21:19:00 - 00:21:37:19 Jana Tschannen Und ich glaube eigentlich, dass das auch passieren wird. Vielleicht nicht flächendeckend, aber mit der Zeit. In manchen Kreisen ist es ja auch schon so, also in Communities wird es bereits gemacht und vielleicht wird es auch irgendwann weitere Kreise ziehen. Das kann ich nicht sagen, aber das vermute ich jetzt mal. 00:21:37:21 - 00:21:54:08 Catherine Weyer Also Sie sagen, die Sprache wird sich verändern, wenn wir einen Blick zurückwerfen. Wie hat sich die Sprache denn in der Vergangenheit verändert? Es gibt jetzt Menschen, die sagen: Die deutsche Sprache ist gut so wie sie ist, und sie soll so bleiben. Sie sagen aber, es gab schon immer Veränderungen in der deutschen Sprache. 00:21:54:10 - 00:22:22:02 Jana Tschannen Ja, das wäre eben auch die Frage. Also welche Sprachstufe ist denn jetzt besonders erhaltenswert, weil irgendwie vom Althochdeutschen, was man so als erstes deutsch, als Vordeutsch vielleicht bezeichnen könnte. Bis heute hat sich die Sprache so verändert, dass wir zwar immer noch Ähnlichkeit sehen, also wenn wir zum Beispiel einen althochdeutschen Text oder einen mittelhochdeutschen Text lesen, dann erkennen wir okay, wir können das meiste irgendwie verstehen, vor allem beim Mittelhochdeutschen. 00:22:22:02 - 00:22:50:14 Jana Tschannen Langsam, aber im Laufe der Zeit hat sich die Sprache wirklich so sehr verändert, und zwar auf jeder Ebene, also auf der phonologischen Aussprache, Ebene bis hin zur semantischen Ebene. Dass Wörter jetzt andere Bedeutung haben, obwohl wir immer noch die gleichen Wörter haben, die Bedeutung sich einfach, langsam aber sicher verändert. Das haben wir zum Beispiel beim Begriff Frau, das ursprünglich für eine adelige Frau verwendet wurde und jetzt einfach die neutrale Bezeichnung für das Geschlecht Frau ist. 00:22:50:16 - 00:22:52:07 Catherine Weyer Das war im Gegensatz zu Weib. 00:22:52:07 - 00:23:15:21 Jana Tschannen Genau und genau das Weib war damals das Wort was, wofür wir heute Frau benutzen. Was jetzt natürlich sehr negativ konnotiert ist und eigentlich auch nicht mehr verwendet wird oder nur noch wirklich als Beleidigung. Genau also solche Bedeutungswandel, die waren schon immer da und die wird es auch immer geben. Also Sprache wird sich immer verändern und es wir auch haben. 00:23:15:21 - 00:23:50:16 Jana Tschannen Also durch gesellschaftliche Veränderungen verändert sich natürlich die Sprache teilweise relativ schnell. Jetzt zum Beispiel das Wort Fräulein, das für unverheiratete Frauen verwendet wurde, also bis sie verheiratet waren und eine Frau, mit der Anrede Frau, wann waren Sie das Fräulein? Und das verwenden wir ja heute höchstens als vielleicht noch wohlwollend ausgedrückt als für ein Kompliment. Aber ich könnte mir eigentlich keinen Kontext vorstellen, wo das nicht irgendwie herablassend oder oder sogar wirklich explizit beleidigend verwendet wird. 00:23:50:16 - 00:23:59:21 Jana Tschannen Man macht die Frau damit klein und und also Fräulein für eine Frau verwenden als als ernsthafte Anrede. Das ist nicht mehr möglich in der heutigen Gesellschaft. 00:23:59:23 - 00:24:04:15 Catherine Weyer Sie hatten im Vorgespräch noch ein ganz aktuelles Beispiel genannt mit der Maske. 00:24:04:17 - 00:24:34:15 Jana Tschannen Genau. Bedeutungswandel haben wir natürlich nicht nur bei Personenbezeichnung, sondern bei allen Wörtern kann das potenziell auftreten. Und das Beispiel der Maske. Wenn wir uns an die Zeit vor Corona erinnern und das Wort Maske verwenden würden oder eine Aufschrift gesehen hätten mit hier bitte eine Maske tragen, dann hätten wir uns sehr gewundert und eventuell gedacht okay, ist es eine Faschingsm oder Fasnachtsmaske oder eine Gesichtsmaske, wie man sie zu kosmetischen Pflege benutzt? 00:24:34:16 - 00:25:00:03 Jana Tschannen Aber dass es eine Atemschutzmaske ist, das ist erst klar durch die Pandemie. Dadurch, dass wirklich alle Menschen Masken tragen mussten. Zwischenzeitlich. Es gibt Begriffe wie Maskenpflicht, also das sind alles Begriffe, die neu im Sprachgebrauch sind. Also Maske ist jetzt nicht neu, aber mit der Bedeutung Atemschutzmaske ist es eben neu und und auch ja genau, Begriffe wie Maskenpflicht. 00:25:00:05 - 00:25:23:06 Jana Tschannen Das entsteht eben durch die aussersprachliche Welt. Das zeigt uns, okay, hier ist ein Bedürfnis, Wir brauchen hier Wörter und die werden gebildet, entweder durch Wörter, die schon da sind, die dann anders besetzt werden, oder auch durch Entlehnung aus zum Beispiel anderen Sprachen. So wie Lockdown haben wir auch jetzt im Sprachgebrauch und wissen damit okay, das ist gemeint, wenn irgendwie eine Pandemie ausbricht und wir alle zu Hause bleiben müssen. 00:25:23:08 - 00:25:37:22 Jana Tschannen So ändert sich Sprache durch äussere Gegebenheiten und so kann es auch unabhängig von Geschlecht Sprachwandel geben. Also Sprachwandel gibt es wirklich immer und es wird auch immer Sprachwandel geben. Eine Sprache, die sich nicht wandelt, ist eine tote Sprache. 00:25:38:00 - 00:25:55:06 Catherine Weyer Ein anderer Punkt, wo Sprache sehr wichtig ist, ist in der Werbung. Und Sie haben ja gesagt, Werbung ist eigentlich auch ein Ort, wo man sehr schön sieht, wie Sprache verwendet wird, auch um Geschlecht anzuzeigen. Wir hören uns jetzt zwei Beispiele an von einer Shampoo-Werbung. 00:25:55:08 - 00:26:15:09 Sprecher 3 Männer denken nicht an ihre Haare, sie denken an ihr nächstes Projekt oder das nächste Spiel. Deshalb denken wir an ihre Haare. Niveau Men Strong Power Shampoo mit Meeresmineralien für gesundes kräftiges Haar: Nivea Men Strom Power. Uund jetzt neu Fresh Anti Fett und Sensitive power. 00:26:15:11 - 00:26:28:20 Catherine Weyer Das war eine Werbung für ein Männershampoo. Interessant hier ja auch diese Mischung von Ðǿմ«Ã½ und Englisch mit Vehemenz Strong Power und Fresh Anti Fett. Was ist Ihnen sonst noch aufgefallen bei diesem Beispiel? 00:26:28:22 - 00:26:54:11 Jana Tschannen Was man natürlich jetzt gut hören kann, ist die männliche Stimme, die die Werbung, also das Video kommentiert. Die sehr tief ist und so ein bisschen auf Action ausgelegt ist, also durchgehend in dieser Werbung ist so ein bisschen. Also das ist auf jeden Fall sehr auffällig. Was auch noch auffällig ist, wenn man die Werbung wirklich sieht. Da sieht man einen Mann oder verschiedene Männer eigentlich in verschiedenen Situationen, wie sie immer irgendwas tun. 00:26:54:11 - 00:27:12:21 Jana Tschannen Sie sind immer aktiv. Also alleine schon, dass das Shamponieren, das scheint so irgendwie, das muss schnell gehen. Da muss man gleich weiter zum Fussballspiel oder irgendwie mit Freunden treffen oder so, es ist immer irgendwie der Alltag von Männern abgebildet, wo das Haarewaschen auch noch irgendwie mit dazugehört. 00:27:12:23 - 00:27:21:16 Catherine Weyer Und im Gegenzug hören wir jetzt noch die Werbung für ein Frauen-Shampoo: Trockenes Haar? Es ist Shauma-Zeit. 00:27:21:16 - 00:27:28:02 Unbekannt Shauma hat ein Trend-Shampoo. Iah-iah-oh. Reiswasser kommt neu dazu. 00:27:28:02 - 00:27:34:03 Jana Tschannen Für gesundes Haar und Glanz im Nu. Das neue Feuchtigkeit und Glanz. 00:27:34:05 - 00:27:35:07 Catherine Weyer Ja, klingt ziemlich anders. 00:27:35:08 - 00:28:02:14 Jana Tschannen Das klingt sehr anders. Also, hier haben wir natürlich die weibliche Stimme. Aber nicht nur eine weibliche Stimme, sondern eine sehr jung klingende Stimme, die auch noch singt. Ein Kinderlied und das alles noch mit Musik unterlegt, fröhlich. Wenn man dann auch noch das Video sieht, dann sieht man nicht die Frau in ihrem Alltag, sondern vielleicht ganz am Anfang sitzt sie dann vielleicht auf einem Sofa oder so, aber die ganze Zeit ist dann nur die Frau im Zentrum und ihr Haar, also das Haar, das dann wirklich glänzt und schön ist. 00:28:02:16 - 00:28:17:07 Jana Tschannen Aber man sieht sie nicht wie den Mann in verschiedenen Situationen, wo ihre Haare irgendwie eine Rolle spielen würden oder auch nicht. Also sie geht nicht aus dem Haus, sie spielt nicht Fussball oder irgendeinen anderen Sport. Sie ist einfach zu Hause vor dem Spiegel und bewundert ihre Haare. 00:28:17:09 - 00:28:33:02 Catherine Weyer Und was noch interessant ist, ich habe jetzt gesagt, es ist Werbung für ein Frauen-Shampoo. Das sagt sie ja nie. Im Gegensatz zum anderen Video, wo ganz klar gebrandet ist es für Männer. Und trotzdem kann ich mir nicht vorstellen, dass sich irgendein Mann angesprochen fühlt bei dieser Werbung. 00:28:33:02 - 00:29:01:16 Jana Tschannen Das ist eben bei Werbung meistens so, dass Werbung für Männer immer von Männern auch gesprochen wird. Also die Stimme im Hintergrund ist immer männlich. Während bei Frauen Produkten häufig Frauenstimmen verwendet werden, aber es hier eher denkbar ist, es eine Männerstimme zum Beispiel eine Rolle eines Experten irgendetwas kommentiert und sich dabei aber an Frauen richtet. In der Männerwerbung sehen wir, glaube ich, ausschliesslich Männer und in der Frauen Werbung 00:29:01:16 - 00:29:27:01 Jana Tschannen eben diese eine Frau, die die ganze Zeit ihre Haare anschaut. Aber das ist eben auch typisch für Werbung, also dass das die Leute, an die sich die Werbung richtet, auch abgebildet sind. Jedenfalls bei Frauen-Werbung, bei Männer-Werbung ist es nicht immer so, weil wir hier häufig Frauen mit dabei haben als Anhängsel. Das ist gerade so bei Kosmetik- oder Parfüm-Werbung sehr auffällig. 00:29:27:03 - 00:29:41:07 Catherine Weyer Können Sie erklären, wieso die Werbung sich so verhält, also wieso man Frauenstimmen für Mädchen- oder Frauenprodukte verwendet? Ist das ein psychologischer Konnex, dass wir uns dann mehr angesprochen fühlen? 00:29:41:09 - 00:30:08:18 Jana Tschannen Es hat wahrscheinlich was damit zu tun, was wir auch visuell dargestellt kriegen. Also jetzt gerade bei den Produkten, die sich gezielt an ein Geschlecht richten, die sind ja schon visualisiert durch entsprechende, also entweder Männer oder Frauen und dann wären die Stimmen irgendwie unpassend, wenn die abweicht von dem, was wir sehen. Also es muss eine Frau sein, die sagt, dass man hier besonders schön wird, wenn man dieses Produkt benutzt, während man eine Frau sieht, die schön ist und glänzendes Haar hat. 00:30:08:18 - 00:30:45:06 Jana Tschannen Zum Beispiel. Aber man könnte sich eher vorstellen, dass es bei Frauenprodukten eine Männerstimme kommentiert als bei Männern eine Frauenstimme. Ich weiss nicht, ob man das psychologisch begründen kann. Ich habe das Gefühl, es liegt daran, dass es normal ist, dass man sich von Männern eher etwas erklären oder verkaufen lässt als von Frauen. Männer werden auch häufiger als Experten dargestellt, als Frauen, als Verkäufer, als in der Rolle als Wissensinhaber, die wissen, warum man ein Produkt benutzt, die das dann auch vielleicht noch wissenschaftlich erklären können, warum genau dieses Shampoo gut ist. 00:30:45:08 - 00:31:07:03 Jana Tschannen Das funktioniert irgendwie mit Frauen nicht. Obwohl natürlich Frauen auch diese Rolle einnehmen könnten, wäre das in der Werbung sehr irritierend glaube ich. Aber auch nur so lange, bis es das regelmässig gibt, bis man sich dran gewöhnt hat. Aber ich glaube, das müsste erst mal passieren. Vorher ist es immer ungewöhnlich, weil es einfach nie vorkommt. Es gibt kein Männerprodukt, 00:31:07:03 - 00:31:15:02 Jana Tschannen das mit einer Frauenstimme beworben wird. Ausser vielleicht, wenn es um die Attraktivität eines heterosexuellen Mannes geht. 00:31:15:03 - 00:31:24:00 Catherine Weyer Vielleicht noch zum Schluss. Wagen Sie eine Prognose, wann zumindest in der öffentlichen Kommunikation Gendern Alltag ist? 00:31:24:02 - 00:31:56:18 Jana Tschannen Ich glaube, Gendern ist Alltag, jedenfalls in der öffentlichen Kommunikation ist schon überall, glaube ich, in grösseren Unternehmen und so gibt es ja auch schon Leitfäden, wie man gendern soll. Ich würde sagen, dass nicht unbedingt der Genderstern Alltag ist, aber dass man sich mit der Frage auseinandersetzen muss, das ist schon Alltag. Auch wenn es für manche vielleicht nicht besonders beliebt ist, dass sie sich damit auseinandersetzen müssen, müssen sie zumindest in einer Fussnote erklären: Hey, wenn ich hier das generische Maskulinum verwende, dann meine ich alles. 00:31:56:18 - 00:32:24:03 Jana Tschannen Also jetzt gerade in wissenschaftlichen Arbeiten oder so sehen wir das ja häufiger, wenn nicht gegendert wird, dass man das wenigstens kommentieren muss. Aber auch im im Fernsehen oder so wird ja grösstenteils irgendwie gegendert, also wie auch immer. Aber es wird, es kommt vor und und Genderverbote werden ausgesprochen. Das kann natürlich auch nur funktionieren, wenn es überhaupt so etwas wie eine Debatte ums Gendern gibt. 00:32:24:03 - 00:32:39:19 Jana Tschannen Also ich würde sagen, es ist bereits in der Gesellschaft angekommen und es wird wahrscheinlich auch normal sein. Das heisst nicht, dass es jeder in seinem eigenen Alltag tun muss. Aber in der beruflichen, öffentlichen Kommunikation ist das bereits etabliert und wird sich auch weiter etablieren. 00:32:39:21 - 00:32:41:04 Catherine Weyer Frau Tschannen, vielen herzlichen Dank! 00:32:41:05 - 00:32:45:07 Jana Tschannen Ich danke auch. 00:32:45:09 - 00:33:16:00 Catherine Weyer Das war Unisonar, der Wissenspodcast der Universität Basel. Wir freuen uns über euer Feedback auf podcast@unibas.ch oder auf unseren Social Media Kanälen. Dies ist das Ende der sechsten Staffel. Seid ihr an weiterer Forschung der Universität Basel interessiert? In der fünften Staffel sprachen unter anderem eine Friedensforscherin, eine Psychologin und eine Theologin über Streit und Versöhnung. Neue Folgen zu einem neuen Thema gibt es im September 2025. Hier und überall, wo es Podcasts gibt. 00:33:16:02 - 00:33:24:15 Catherine Weyer Bis bald.